Schaffhausen, 21.02.2021 –

Wenn es ein Schlüssel-Thema gibt, welchem ich in meinen mittlerweile 60 Jahren immer wieder begegnet bin, dann ist es Kommunikation. Privat, im Alltag, im Beruf … steht und fällt Vieles mit der Qualität der Kommunikation. In früheren Jahren hatte ich das gar nicht so bewusst wahrgenommen. Aber spätestens seit ich Vater geworden bin und dann Jahre später bei Siemens als Projekt- und Teamleiter zu arbeiten begonnen habe, ist dieses Thema ein roter Faden.

In der (Computer-)Technik spricht man von «Interfaces», englisch für Schnittstellen. In der «Schnittstellen-Spezifikation» wird die Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Komponenten einer Software/eines Produkts definiert. Und dort entscheidet sich oft, ob ein Projekt gelingt oder misslingt. Es steht und fällt mit der Qualität der Spezifikation der Kommunikations-Schnittstelle. In einem anderen Gebiet meiner Arbeit bei Siemens, dem «Requirements-Engineering» – dem Erarbeiten der Anforderungen bei einem neuen Entwicklungs-Projekt – ist die wichtigste Schnittstelle jene zum Kunden. Die grosse Herausforderung in einem Projekt liegt darin, herauszufinden, was seine Anforderungen und (oft impliziten) Wünsche sind. Auch hier: Kommunikation, Schnittstelle zwischen Auftraggeber und Lieferant, das A und O in einem Projekt.

«Wie teilt sich der Mensch dem Menschen mit?», «Wie sag ich’s meinem Kinde?» – als Vater von acht Kindern ganz wörtlich genommen – ist eine zentrale Lebensfrage. Es geht um Kommunikation in all seinen Facetten wie Hören, Sprechen, Sich-Hinein-Versetzen, Interpretieren, Nachfragen. Kommunikation ist ein Dauerthema, alltäglich, stets gegenwärtig.

Was hat das nun mit Musik zu tun? Einfach alles! Musik ist ihrem Wesen nach Kommunikation. Musik braucht keine Schnittstellen, Musik ist die Schnittstelle, unmittelbar, ohne Übersetzung, ohne Worte, universal. Und jeder/jede, der/die je in einem Ensemble Musik gemacht oder in einem Chor gesungen hat, weiss, dass ohne gelingende Kommunikation innerhalb des Klangkörpers zwar Töne produziert werden, aber dennoch keine Musik entsteht. Musik lebt von der inhärent notwendigen Kommunikation ihrer Ausführenden. In der Jazz-Musik spricht man vom «Groove». Ich habe jahrelang in einer Jazz-Rock-Band als Keyboarder gespielt und ein geflügelter Begriff war: der «Groove» stimmt, oder er stimmt eben nicht. Wenn das Zusammenspiel nicht richtig funktionierte, kam kein «Groove» zustande – das war oft direkt körperlich spürbar; die ganze Sache kam ins Schwingen und hatte Energie, oder eben nicht. Alles ist eine Frage der Kommunikation unter den Mitgliedern der Band. Nicht von ungefähr vergleicht Dr. Daniel C. Schmid, Coach in Personal- und Führungsfragen, in einem Artikel in der Zeitschrift der «Fachhochschulen Schweiz» Firmen mit Musik-Ensembles: «Was macht die Musik aus? Es ist der Live-Moment, die Interaktion zwischen den Musikern, der Groove» … Schmid betrachtet sich und sein Team als Dirigent und Musiker. «Wir versuchen, etappenweise den Ziel-Zustand zu erreichen – also dass aus der Organisation eine Sinfonie wird.»

Das Urinstrument des Menschen ist seine Stimme. Mit unserer Stimme sind wir nackt, können uns nicht verstecken, nicht hinter einem Instrument wenn wir singen, nicht hinter Folien und Dokumenten, wenn wir sprechen. Nebst der verbalen Mitteilung kommt beim Sprechen (und beim Singen) viel Non-Verbales rüber: Wie geht es mir, was meine ich wirklich, bin ich unsicher, bin ich von dem, was ich sage, überzeugt? Die Stimme ist in der Kommunikation ein überaus zentraler Aspekt. Das hat auch viel mit (Stimm-)Technik zu tun: Wie klinge ich, wie ist die Tonlage meiner Stimme, wie atme ich, kann ich sicher auftreten? – 

Mit solchen Themen wollen wir uns im Workshop an der SummerAcademy 2021 klingend-singend-spielerisch auseinandersetzen. Ich habe viele Chöre geleitet, viele Chorprojekte durchgeführt und war immer begeistert von der Arbeit mit Laien; das Niveau des Chores hat mich nicht so interessiert, aber die Möglichkeit, an der Stimme zu arbeiten und gemeinsam «Klang hervorzubringen» – nur mit der Stimme. Für mich bedeutet Singen mehr (und gleichzeitig weniger), als die grossen Kunstwerke der Musikgeschichte in Klang zu setzen. Singen beginnt bei etwas ganz Ursprünglichem, bei mir, bei meiner Person, bei meiner Stimme – und das ist etwas Grossartiges, ein Geschenkt des Himmels. 

Leadership ist – wie Musik – ohne gelingende Kommunikation nicht denkbar.